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von Jörg Kinner (anlässlich der Ausstellung im Kunstfoyer am Langenweg, Oldenburg, 2015)
„Es ist eine fremde, seltsame Welt!“ So lässt der amerikanische Regisseur David Lynch seine Hauptfigur Jeffrey Beaumont in dem filmischen Meisterwerk „Blue Velvet“ von 1986 angesichts der dunklen, gewalttätigen Seite einer bürgerlichen Kleinstadt-Idylle sagen. Mehr noch als die verstörende Geschichte des Thrillers, hinterließ die surreale Bildsymbolik bei vielen Zuschauern bleibende Eindrücke.
Viele Jahre später bescheinigte David Lynch seinem eigenen Film im Hinblick auf die gegenwärtige mediale Realität Harmlosigkeit. Die medialen Bildwelten sind nicht nur so schnell, dass wir kaum folgen können, sie beeinflussen auch unsere Vorstellung von der Wirklichkeit in einer Weise, dass die Grenzen zwischen medialer Realität und Wirklichkeit verschwimmen. Gerade so, wie die Grenze zwischen bürgerlicher Idylle und abgründiger Unterwelt in David Lynchs „Blue Velvet“.
Unser Verhältnis zur Wirklichkeit ist ein mittelbares. Ohne in eine philosophische Diskussion einzusteigen, lässt sich festhalten, dass unsere Vorstellung von Wirklichkeit eine begrenzte Annäherung ist. Unsere Wahrnehmung kann leicht getäuscht werden. Wir überprüfen ständig unser Bild von der Wirklichkeit und gerade die über Fernsehen und Internet vermittelte Wirklichkeit ist leicht zu manipulieren. Die gegenwärtige Medienwelt liefert dafür immer wieder Beispiele. Einerseits ermöglicht sie uns, in Echtzeit an Ereignissen rund um den Globus teilzunehmen, andererseits ist diese mediale Wirklichkeit nicht mit der erlebten Wirklichkeit vor Ort gleichzusetzen.
Für die Kunst von Norbert Bauer spielen diese Überlegungen eine grundlegende Rolle. Das Nachdenken über die Bedeutung der Medienwelt – der Fernsehbilder, der Fotografien und des Internets und so weiter – sieht man seinen Gemälden unmittelbar an. Wer schon einmal mit computerbasierter Bildbearbeitung experimentiert hat, meint in den Werken von Norbert Bauer die automatische Tontrennung wiederzuerkennen, mit der man die Farben reduzieren kann. Der Bremer Künstler führt diese Bearbeitung gerade nicht an der digitalen Bildvorlage durch, sondern bei verschiedenen Übertragungsschritten der Vorlage auf die Leinwand – also analog. Er erzielt damit eine Reduktion zu flächigen Farbfeldern. Die gegenständlichen, fotografischen Bildvorlagen werden dadurch abstrakter, aber auch sinnbildlicher. Folgelogisch dekliniert Norbert Bauer seine Bildsprache vom gegenständlichen bis zum abstrakten durch. Einen wesentlichen Raum in seiner künstlerischen Arbeit nimmt die Auswahl seiner Motive ein. Aus seinem Bilderarchiv, bestehend aus gefundenem Bildmaterial, Pressefotografien, Bildern aus dem Fernsehen oder Internet, wählt er selten die berühmt gewordenen Ikonen aus, sondern scheinbar Beiläufiges, hinter dem sich manchmal dramatische zeitgeschichtliche Ereignisse verbergen. Die Identifizierbarkeit des Ereignisses steht dabei nicht im Zentrum, sie wird zurückgenommen zugunsten einer Verallgemeinerung. Betont wird die Stimmung, ein Gefühl, etwas Unheimliches, Seltsames, Schönes und Erschreckendes.